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"Gute Fahrer nehmen auf Glatteis
den Fuß vom Gas."

Interview mit Thomas Praska, CEO der msg industry advisors

Herr Praska, am 25. März 2020 stellte der Deutsche Bundestag eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ fest. Dem folgten beispiellose Maßnahmen der Pandemieabwehr, vorsichtige Lockerungen und weitgehende Prognoseunsicherheit. Wie kommen die Unternehmen auf kultureller, prozessualer und technologischer Ebene mit der veränderten Situation zurecht?

Es geht in zwei Richtungen. Einerseits sehen wir Unternehmen, deren Technologie und Prozesse den veränderten Rahmenbedingungen erstaunlich gut standhalten. Bei einem unserer Kunden mit über 50.000 Mitarbeitern weltweit, arbeiten knapp 40.000 im Home Office. Das funktioniert weitestgehend reibungslos.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Unternehmen, die sehr ernsthafte Probleme haben, sich umzustellen. Und zwar aus jeder Perspektive. Da fehlt es an technologischen Voraussetzungen, an organisatorischer Flexibilität oder an kulturellen Themen. Wenn etwa die Mitarbeiter mit der Situation Schwierigkeiten haben, weil Führungsstrukturen unklar sind. Das sind Dinge, die vorher nicht so ausgeleuchtet und natürlich nicht so kritisch waren.

Wird die Bedeutung der Umstellung auf „remote“ damit nicht etwas überbetont?

Nein. Die Umstellung auf remote, das ist ja nicht die wesentliche Entscheidung. Viel wichtiger ist, ob der Reifegrad meiner Organisation ausreicht, um überhaupt remote arbeiten zu können. Dass ich es tun muss, steht außer Frage. Die Frage ist nur, was muss ich zusätzlich tun, um möglichst schnell die notwendige Traktion zu entwickeln.

Der Reifegrad lässt sich aus mehreren Perspektiven betrachten, wobei die technische Problematik relativ einfach lösbar ist. Aber prozessuale Schwächen werden jetzt schnell sichtbar. Wenn zum Beispiel Standardabläufe nicht mehr richtig funktionieren, weil die Leute sich nicht mehr vis-à-vis zusammensetzen können, um Themen zu klären. Es ist auch ein kulturelles Thema, weil Fragestellungen in einem Online-Meeting viel präziser formuliert werden müssen, weil man eine andere Disziplin an den Tag legen muss. Ich sehe nicht die komplette Körpersprache meines Gegenübers, ich kann kaum non-verbale Signale senden. Man muss viel strukturierter und fokussierter auf einen konkreten Output hinarbeiten.

Die Krise als Test organisatorischer Fähigkeiten…

Das sind Krisen immer, das ist an sich nichts Neues. Das erleben wir gerade ja auch auf nationalstaatlicher Ebene. Da geht es nicht nur um Behandlungskapazitäten, sondern zudem um die Datenkonsolidierung, um Transparenz, Kommunikation und logistische Potenziale. Aus unternehmerischer Perspektive haben wir in der jetzigen Situation auf viele Faktoren keinen Einfluss und sind von Entscheidungen der Politik, der Dynamik der Pandemie, den gesellschaftlichen Stimmungen abhängig.

Besonders kritisch ist deshalb ein starkes Leadership. Man muss den Mitarbeitern erklären, dass man aktuell keinen robusten Fahrplan haben kann, sondern die Lage ständig beobachten und das eigene Handeln flexibel anpassen wird. Man muss auf die Fähigkeiten des Teams, der Organisation vertrauen. Und auch erkennen, wenn bestimmte Fähigkeiten fehlen und parallel an ihnen arbeiten.

Wie vermeidet man in der aktuellen Situation den Aktionismus des Gasgebens auf Glatteis?

Die Antwort liegt eigentlich schon in der Frage. Was macht denn ein guter und nervenstarker Fahrer, wenn er auf Glatteis gerät? Er nimmt den Fuß vom Gas und versucht ein Gefühl für den Untergrund, für die Traktion zu bekommen. Dann beginnt er leicht gegenzusteuern und sich auf die Situation einzustellen, um dann mit den richtigen Impulsen in eine bestimmte Richtung zu steuern. Er lässt nicht die Hände vom Lenkrad, und tritt weder das Gas- noch das Bremspedal durch.

Wir müssen uns also schrittweise und situativ abhängig anpassen. Und es ist umso schwieriger, je starrer unser organisatorisches System ist. Manche haben in der Krise sofort reagiert, mit sehr kurzfristig ausgerichteten, zum Beispiel sehr stark auf singulär fokussierten Maßnahmen. Und das noch vor einer ausreichenden Bewertung der Situation. Ich halte es nicht für ratsam, auf Glatteis eine Vollbremsung zu versuchen. Dann haut es einen aus der Bahn.

Was raten Sie vor diesem Hintergrund Ihren Kunden?

Zunächst alles Notwendige zu tun, damit die Sicherheit für Mitarbeiter gewährleistet ist. Und ansonsten zu versuchen, den Kurs zu halten und Prozesse und Methoden nur dort schnell anzupassen, wo es angemessen ist. Die Aspekte der bestehenden Strukturen, die sich auch in der aktuellen Situation als tragfähig erweisen, sollte man schützen und stabilisieren. Das schafft Vertrauen und Orientierung.

Auch die Datenstrukturen haben weiterhin ihre Werthaltigkeit. Wir müssen sie ergänzen und an neue Rahmenbedingungen adaptieren, neue Fixpunkte kreieren – aber wir brauchen diese Ressourcen, um weiterhin steuern zu können, gerade wenn wir wieder auf ein flacheres, griffigeres Terrain kommen und beschleunigen müssen.

Denn wir kommen unweigerlich in eine Phase, in der Corona zwar nicht verschwinden, aber zu einer für uns besser greifbaren Nebenbedingung wird. Und damit werden wir umgehen müssen und weiterhin versuchen, unsere Ziele mit adjustierten Prozessen zu erreichen. Schließlich, ich habe es bereits erwähnt, kann die Kommunikation im und ins Team gar nicht hoch genug gewertet werden.

Die Kommunikation halten Sie für besonders kritisch?

Ja. Also klare Botschaften, wie die Situation verstanden wird und was man gemeinsam tun muss und kann. Die Herausforderungen der Lage klar benennen, aber auch die Zuversicht und das Selbstvertrauen der Organisation stärken. In solchen Zeiten rücken die Menschen immer zusammen, das brauchen wir. Und das ist deshalb besonders wichtig, weil es ja ein essenzieller Teil dieser Krise ist, dass wir Distanz halten müssen. Das verlangt den Menschen emotional sehr viel ab. Leader müssen aus dieser extremen Situation neuen Gemeinschaftssinn schöpfen, Plattformen für den Austausch schaffen, neue Rituale etablieren.

Im Interview

"Prozessuale Schwächen werden jetzt schnell sichtbar."

"Was macht denn ein guter und nervenstarker Fahrer, wenn er auf Glatteis gerät? Er nimmt den Fuß vom Gas."

"Die Aspekte der bestehenden Strukturen, die sich auch in der aktuellen Situation als tragfähig erweisen, sollte man schützen und stabilisieren."

"Leader müssen aus dieser extremen Situation neuen Gemeinschaftssinn schöpfen."

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Thomas Praska

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