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Smart Cities zwischen Bürgerkonsens
und technologischer Vision:
Die Zukunft kommunaler Plattformen

Plattform-Merkmale

Integrierte kommunale Plattformen bilden das Fundament nachhaltiger Smart Cities. Warum ihre Realisierung weit über technologische Fragen hinausgeht und welche Faktoren für den Erfolg von Transformationsprojekten kritisch sind, erklärt Michael Dusch.

Herr Dusch, was sind die wichtigsten Merkmale kommunaler Plattformen?

Aus der Perspektive der Bürger sind solche Plattformen konsolidierende Portale, die Services bündeln, die das kommunale Leben definieren. Auf diese Services greifen die Bürger zu, sobald sie eindeutig identifiziert und legitimiert sind. Die technologische und rechtliche Komplexität muss dabei unterhalb des Interface gemanagt werden – hier geht es beispielsweise um die Organisation und Koordination unterschiedlicher Player und Systeme auf Basis gültiger Vertragsbeziehungen, die technische Verbindung heterogener Systeme oder um die Vorhaltung bestimmter Stammdaten.

Es entsteht also ein Kontext für potenziell alle Transaktions- und Kommunikationsprozesse, die den Bürger mit seiner Kommune verbinden. Ich sage potenziell, weil wir heute meist nicht über wirklich integrierte kommunale Ökosysteme sprechen, sondern eher über einzelne Services, wie etwa Parkleitsysteme. Solche Use Cases werden auf der Plattform mit anderen Leistungen der Stadtwerke zusammengeführt, etwa der Stromversorgung, so dass die Bürger auf sie über eine einzige App und gegebenenfalls ein hinterlegtes Konto zugreifen können. Auch Schwimmbäder oder Kultureinrichtungen, die in städtischer Hand sind, lassen sich anschließen.

Die Frage ist dann, welche Akteure, Einrichtungen und Prozesse ebenfalls an die Plattform andocken können. Naheliegend sind weitere städtische Einrichtungen oder Prozesse wie die Zugangslegitimation für Einkaufsstraßen unter Pandemiebedingungen. Aber auch kleinere unabhängige Einrichtungen könnten ihre Interaktion mit den Bürgern über die Plattform organisieren.

 

Lassen sich in kommunale Plattformen auch e-government-Themen integrieren?

Es ist denkbar, bestimmte Verwaltungsvorgänge und Einrichtungen einzubinden, wie die Energieversorgung oder die Gesundheitsämter. So lassen sich einerseits die Prozesse vereinfachen und andererseits die entstehenden Datenstrukturen für Prognosen einsetzen. Wenn etwa feststellbar ist, dass sich der Energieverbrauch in eine falsche Richtung entwickelt. Dann können zum Beispiel individuelle Beratungen angeboten, oder Förderprogramme initiiert werden, um Bürger zu motivieren, notwendige Investitionen zu tätigen. Das ist sowohl aus der Verbraucherperspektive sinnvoll als auch aus der Perspektive der Emissionspolitik – eine Win-Win-Situation.

Der strategische Nutzen dabei ist auch, dass die unterschiedlichen Akteure in der Kommune es lernen, ihre Prozesslogiken und technologische Infrastrukturen kompatibel und anschlussfähig zu gestalten. Das ist eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg von Smart City Initiativen. Und das kann man über solche Plattformen fördern, ob sie nun kommunal oder kommerziell sind, oder von einem Zusammenschluss kleinerer Stadtwerke getragen. Dies gelingt, indem man Use Cases schafft, Logiken und Prozesse konzipiert und in der Plattform anlegt. Man schafft dann technologische und prozessuale Kontexte. 

Im Interview

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„Als Ökosysteme leben Smart Cities vom gegenseitigen Vertrauen der Teilnehmer. Dazu gehören klare rechtliche Rahmenbedingungen, akzeptierte Spielregeln und Transparenz.“

Nudging & Data Governance

Sie beschreiben ein „Nudging-Szenario“ – also datenbasierte Verhaltensanstöße im kommunalen Ökosystem?

Das ist mit Sicherheit ein Thema mit sehr großem Potenzial und eine Möglichkeit, Veränderungen zu initiieren, ohne auf Vorschriften, Verbote oder finanzielle Sanktionen zu setzen. Zum Beispiel durch Gamification-Elemente, Wettbewerbe, Incentives und Informationen. Die in der Smart City entstehenden Daten generieren dabei sehr weitreichende Möglichkeiten, um Verkehr und Energieverbrauch zu optimieren, Staus zu vermeiden, und vieles mehr.

Allerdings ist das immer noch ein Generationenthema. Die Jüngeren sind solchen Ansätzen gegenüber deutlich aufgeschlossener. Sie betrachten ihre Daten zunehmend als Assets, die wertstiftend geteilt und auch monetarisiert werden können. Für sie sind Spielelemente und Communities etwas Natürliches. Was allerdings nicht bedeutet, dass sie gegenüber Datenmissbrauch keine Sensibilität haben.

 

Spielen Datenschutz und Datenhoheit also eine kritische Rolle?

Ökosysteme, und Smart Cities sollte man als Ökosysteme betrachten, leben vom gegenseitigen Vertrauen der Teilnehmer. Und dazu gehören auch klare rechtliche Rahmenbedingungen, akzeptierte Spielregeln und Transparenz. In der Telekommunikation, wo schon lange mit sehr persönlichen Daten gearbeitet wird, gibt es eine sehr klare gesetzliche Grundlage, die regelt, welche Daten wie lange gespeichert, ausgewertet und zu welchem Zweck verwendet werden dürfen. Solche Regelungen gibt es zumindest nach meiner Kenntnis im Smart City-Kontext nicht, jedenfalls nicht in dieser Detailschärfe.

Deshalb halte ich es für dringend notwendig, im Dialog mit den Bürgern einen Weg zu finden, der die Qualität eines Common Sense hat. Und dieses gemeinsame Verständnis sollte dann rechtlich formalisiert werden. Dieser Common Sense muss natürlich auch ein generelles Konzept der Bürgerdaten umfassen. Es geht also darum, verschiedene Aggregationsniveaus der Daten zu unterscheiden. Also zu klären, welche Daten als allgemeine städtische Ressource konzipiert werden können und welche im Eigentum der Bürger verbleiben. Und festzulegen, welche Monetarisierungsmodelle und Nutzungsszenarien definiert werden können und wie sich eine performante und sichere technologische Infrastruktur aufbauen lässt.

Das Vertrauen der Bürger in die Stadtwerke ist hoch. Deshalb sind sie dafür prädestiniert, diesen Dialog zu führen und entsprechende Governance-Strukturen auszubilden.

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„Kommunale Plattformen befähigen ihre Akteure, Prozesslogiken und technologische Infrastrukturen kompatibel und anschlussfähig zu gestalten. Das ist eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg von Smart City Initiativen.“

Treiber Smart City Initiativen

Kommunen realisieren Smart City Initiativen in einem sehr unterschiedlichen Tempo. Was bestimmt diese Geschwindigkeit?

Ein zentraler Ausgangspunkt für das Thema sind kommunale Infrastrukturen, zum Teil auch verbunden mit Rückkäufen von Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen, die in den letzten Jahren zu beobachten sind. Für dieses „Zusammenholen“ gibt es in einigen Kommunen auch eine starke, überparteiliche Motivation und einen breiten Bürgerkonsens, denen natürlich oft auch kontroverse Diskussionen vorausgehen. Die Stadtwerke müssen handlungsfähig sein, sie brauchen Ressourcen, über die sie verfügen. Im Idealfall korrespondiert dieser Prozess mit einer stringenten, übergreifenden Vision, langfristigen Investitionen und einer fokussierten Umsetzung. In diesem Kontext getroffene große Richtungsentscheidungen sind nachhaltiger als kleine Initiativen, die sich unter Umständen in der nächsten Legislaturperiode ohne prohibitive Kollateralkosten umkehren lassen.

 

Reiche Metropolen sind dabei vermutlich im Vorteil?

Metropolen benötigen nicht unbedingt externe Plattformen, weil sie oft die kritische Masse und die Mittel für Eigenentwicklungen haben. Bei kleineren Kommunen besteht die Gefahr, sich im Alleingang zu überheben – technisch und finanziell. Da braucht es eher kommerzielle Anbieter, die einen bestimmten technologischen und prozessualen Rahmen stellen, ihr Knowhow in das Projekt einbringen und vielleicht auch in Teilen das Risikokapital stellen. Darüber hinaus können kleinere Kommunen ihre Kräfte auch bündeln.

Allerdings – auch das ist ein Aspekt der Realisierungsgeschwindigkeit – überlagern sich in solchen Zusammenschlüssen häufig politische und sachlogische Interessen, was einen langwierigen und komplexen Meinungsbildungsprozess zur Folge haben kann. Ein kommerzieller Anbieter muss dann in der Lage sein, die richtigen Interessengruppen für einen Anwendungsfall zusammenzuführen. Zudem muss er die sehr anspruchsvolle technologische Umsetzung im Griff haben.

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„Metropolen benötigen nicht unbedingt externe Plattformen, weil sie oft die kritische Masse und die Mittel für Eigenentwicklungen haben. Bei kleineren Kommunen besteht die Gefahr, sich im Alleingang zu überheben.“

Topologie & Grenzen

Hat die Topologie der Smart City ebenfalls einen Einfluss auf die Umsetzbarkeit der Initiativen? Also die Frage nach den Grenzen der geplanten Ökosysteme?

Die Grenzen einer Stadt zu definieren ist generell nicht einfach – war es noch nie. Die moderne Stadt ist kein hermetisch abgeriegeltes Gebilde, sondern hat vielfältige Schnittstellen und Verbindungen zu ihrem Umfeld. Das gilt natürlich auch für digitale Stadtplattformen. Die Frage stellt sich übrigens auch innerhalb der Stadt, wenn etwa Quartierskonzepte umgesetzt werden sollen. Wesentliche regulierende Faktoren sind dabei einerseits die Konzessionsverträge und andererseits das Diskriminierungsverbot. Da sich eine Stadt wesentlich aus den Steuern der Bürger finanziert, müssen die Initiativen immer alle potenziellen Nutzer ansprechen und nicht nur eine Teilmenge. So muss etwa ein Ladesäulenkonzept so aufgebaut sein, dass jeder Bürger sein Fahrzeug laden kann – völlig unabhängig davon, in welchem Quartier er zuhause ist, welchen Ladestand er hat und welches Ladesystem er benutzt.

Zusammenfassend würde ich sagen, dass Vertrauen, ein breiter Bürgerkonsens, eine stringente Vision und Strategie, ein transparenter und klarer Rechtsrahmen, die Fähigkeit zur technologischen und prozessualen Umsetzung sowie eine grundsätzliche Offenheit und Evolutionsfähigkeit über den nachhaltigen Erfolg von Smart City Initiativen entscheiden.

Im Interview

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