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"Dem Klimawandel entgegenzuwirken, ist auch in der aktuellen Krise nicht verhandelbar"

Interview mit Dr. Christof Spangenberg, Geschäftsführer, m3 management consulting GmbH

Herr Spangenberg, welche Implikationen hat die derzeitige Gas- und Energiekrise für Privathaushalte und Industrie?

Hohe Preise und eine unsichere Versorgungslage treffen prinzipiell alle. Allerdings zeigen sich wesentliche Unterschiede zwischen privaten Verbrauchern und Industrie. Im privaten Sektor werden die Verbraucher letztlich auch deutlich höhere Energiepreise tragen können, ob mit oder ohne staatlicher Unterstützung. In der Industrie stellt sich die Frage jedoch anders. In energieintensiven Branchen, vor allem dort, wo Preise nicht weitergegeben und Alternativen nicht schnell geschaffen werden können, kann es zu massiven Verwerfungen kommen. Im Extremfall kann die Produktion am Standort Deutschland nicht aufrecht erhalten werden. Und Industrien die abwandern, kommen mit hoher Sicherheit nicht wieder.

Die Politik steht hier vor der sehr anspruchsvollen Herausforderung, begrenzte Mittel an der richtigen Stelle einzusetzen. Subventioniert der Staat pauschal den Gaspreis für alle oder unterstützt er zielgerichtet nur sozial schwache Haushalte mit Energiegeld und gegebenenfalls Unternehmen, die in eine besonders kritische Lage geraten? So würde auch der marktwirtschaftliche Impuls unterstützt, teures und klimaschädliches Gas einzusparen. Die Preissteigerungen für ein knappes Gut sind im Prinzip sinnvoll. Nur müssen wir natürlich versuchen, unkalkulierbare Folgen für die Industrie und damit auch für die gesamte Volkswirtschaft zu verhindern.

Welche Zielkonflikte zeichnen sich hier ab? Sollten etwa die Klimaziele zurückgestellt werden?

Besonders spannungsgeladen ist der potenzielle Verteilungskonflikt zwischen Privathaushalten und Industrie. Die Priorität der Haushalte in der Gasversorgung zur Disposition zu stellen – egal in welchem Umfang – wird vermutlich zu massiven Verwerfungen führen – selbst vor dem Hintergrund der vorher erwähnten möglichen Standortschäden.

Das Ziel, dem Klimawandel entgegenzuwirken, ist auch in der aktuellen Krise nicht verhandelbar. Wir sehen gerade in diesem Sommer sehr deutlich die Auswirkungen des Klimawandels und auch dass Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit durchaus Hand in Hand gehen können. Es gibt hier aus meiner Sicht keinen Zielkonflikt. Viel eher geht es um die Frage, wie wir unser Klimastrategie schützen können, damit sie auch unter schwierigen Bedingungen Bestand hat. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass wir für die Dekarbonisierung eine breitere technologische Basis schaffen müssen. Denn ja, wir müssen jetzt wieder Kohlekraftwerke  in Gang setzen. Und Gas und Öl, die wir Russland nicht mehr abkaufen, wird leider in anderen Regionen verbrannt und belastet weiterhin das Klima. Fossile Energien werden weiterhin intensiv auf der ganzen Welt genutzt. Deshalb müssen wir zusätzliche technologische Instrumente in unseren Werkzeugkasten nehmen, beispielsweise die CO2-Abscheidung. Die Erkenntnis, dass diese Themen hohe Dringlichkeit haben, dass sie als gesellschaftliches Projekt angegangen werden müssen, das ist durchaus ein Paradigmenwechsel.

Bestehen auch Handlungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene, um Versorgungsengpässen entgegenzuwirken?

Ja, die Kommunen können durchaus einiges tun. Dafür muss zunächst Klarkheit über die verfügbaren Optionen geschaffen werden, denn hier hat jede Kommune eine sehr individuelle Ausgangssituation. Sind etwa Flächen für Wind- und Solarenergie vorhanden, bestehen Optionen für Geothermie oder ein Biohackschnitzelwerk? Die so herausgearbeiteten Möglichkeiten sollten auch konsequent genutzt werden.  

Gleichzeitig können die auf einer übergeordneten Ebene vorgegebenen Themen wie Elektromobilität oder Wärmedämmung, in den Kommunen beschleunigt werden. Das geht durch innovative und gezielte Anreize, Netzausbau, Bereitstellung von Ladestationen. Aber auch durch Sanktionen für bestimmte Technologien oder Verhaltensweisen, die eben klimaschädlich sind, oder die Versorgungssicherheit negativ beeinflussen. So können Kommunen aktiv den Wandel fördern und mitgestalten.

Sind die Kommunen auf diese Aufgaben ausreichend vorbereitet und wirkt die aktuelle Situation vielleicht sogar als Katalysator?

Die notwendigen Strukturen haben die meisten Kommunen inzwischen geschaffen. Von den Stadtwerken oder EVUs, die die Grundversorgung sicherstellen, bis zu Klimaschutzbeautragten. Und auch das notwendige technologische Knowhow ist vorhanden. Was allerdings häufig fehlt, ist eine Roadmap für die Zukunft, die es mit aller verfügbarer Kompetenz aufzustellen, so objektiv wie möglich zu bewerten und so konsequent wie möglich umzusetzen gilt. Diese Umsetzung erfordert eine möglichst  reibungslose Zusammenarbeit aller involvierten Bereiche und ausreichende Finanzmittel. Ich beobachte, dass die aktuelle Situation hilft, das mit größerer Klarheit und Konsequenz zu erkennen und auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit fördert.

Wie können die kommunalen Versorger die privaten Haushalte dabei unterstützen, den Weg zu mehr Klimaeffizienz zu gehen?

Es hängt natürlich stark von den kommunalen Strukturen ab. Für ein freistehendes Einfamilienhaus existieren viele Optionen – Wärmepumpe, Photovoltaik, Stromspeicher, Pelletheizung im Hinblick auf die Energieerzeugung, aber auch Möglichkeiten zur Wärmedämmung und vieles mehr. Hier können die Kommunen, wie bereits erwähnt, durch gezielte Anreize fördern, oder auch beratend tätig werden. Bei einem Mehrfamilienhaus in verdichteter Innenstadtlage sind die Bewohner hingegen fast immer auf eine zentrale Wärmeversorgung angewiesen. Hier haben kommunale Versorger andere Hebel. Etwa durch Beimischung von Biogas oder Wasserstoff zum Erdgas, den Aufbau eines Fernwärmenetzes, das relativ leicht auf regenerative Brennstoffe wie Hackschnitzel oder Geothermie umgestellt werden kann.

Die Wirtschaftlichkeit hat sich durch die hohen Energiepreise verschoben – und vermutlich hat sich auch die Bereitschaft der Verbraucher verändert, sich bewusster und nicht nur unter dem Kostenaspekt mit den Energiequellen auseinanderzusetzen. Damit werden alternative Arten der Wärmeerzeugung wirtschaftlich, was zahlreiche neue Optionen eröffnet. Kommunen können bestimmte Entwicklungen gegebenenfalls auch durch Verordnungen und Gesetze beschleunigen, etwa durch einen Anschlußzwang, um ein Fernwärmeprojekt voranzubringen. Alles in allem gilt auch hier – intensivere Zusammenarbeit und offene Kommunikation schaffen die Basis für den Wandel.

 

Über m3

m3 ist der führende Transformationspartner für Unternehmen mit netzbasierten Geschäftsmodellen im Energie-​ sowie Telekommunikationssektor in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sei es bei der strategischen Ausrichtung, der Konzeption neuer Geschäftsmodelle oder organisationalen und technologischen Herausforderungen – wir schaffen individuelle und nachhaltige End2End-​Lösungen. Als Mitglied der msg advisors, des Beratungsnetzwerks der msg Gruppe, unterstützen wir Unternehmen bei der Entwicklung und der Gestaltung branchenübergreifender Ökosysteme.

Im Interview

Christof Spangenberg m3

Dr. Christof Spangenberg

christof.spangenberg@m3maco.com

"Die Preissteigerungen sind im Prinzip sinnvoll"

"Die Priorität der Haushalte in der Gasversorgung zur Disposition zu stellen wird vermutlich zu massiven Verwerfungen führen"

"Was häufig fehlt, ist eine Roadmap für die Zukunft“

"Für ein freistehendes Einfamilienhaus existieren viele Optionen“

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Dr. Christof Spangenberg

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